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Bodensee Open Water – Eine Heldenreise

Von 1. Juli 2024Juli 12th, 2024Schwimmen6 Minuten Lesezeit

Januar 2024: nach dem Dezember-Trainingslager auf Teneriffa mit viel Schwimmen im T3 läuft das Training für die Triathlonsaison 2024.

An einem kalten Samstag Vormittag lande ich mal wieder auf der Homepage von Bodensee-Openwater. Wie wäre es mit einem erneuten Schwimmen im Bodensee?

Rückblende auf 2021: mit Corona-bedingt sehr überschaubarem Schwimmtraining habe ich mich an der Strecke Konstanz-Meersburg (ca. 5km) versucht. Es war hart, härter als gedacht, aber schließlich nach 1:50 hatte ich in Meersburg mit schmerzenden Armen und Gänsehaut am ganzen Körper wieder festen Boden unter den Füßen. Ein Tränchen vor Stolz und Anstrengung soll es auch gegeben haben.

Zurück zum Samstag im Januar: der Termin würde in die Saisonplanung passen. Wieder 5km? Getreu dem Motto: wenn Du nicht Angst vor dem Ziel hast, ist es nicht ambitioniert genug, entscheide ich mich spontan für die doppelte Distanz, schließlich habe ich schon ordentlich trainiert und bis Ende Juni ist es noch lange hin. Das müsste doch klappen.

Februar 2024: Trainingslager auf Lanzarote mit PRO.

Training: jeden zweiten Tag Schwimmen unter professioneller Anleitung und im Freibad mit 50m Becken unter spanischer Sonne macht einfach Spaß. Fast 20km in starken zwei Wochen können sich sehen lassen

Zurück in Deutschland ist das nicht mehr so einfach: teilweise nur ein Schwimmen und eine Einheiten auf dem SwimErg pro Woche. „sobald die Freibad-Saison losgeht wird das sicher anders“, denke ich mir. „Fürs Schwimmen habe ich schließlich ein wenig Talent.“

Die Freibad-Saison beginnt im Mai und das Saisonticket ist schnell gelöst. Das Pensum zieht zwar an, aber zusammen mit der akuten Vorbereitung auf den IM Hamburg und in einer stressigen Zeit auf der Arbeit sind nicht mehr als 6-7km pro Woche drin. Aufgrund des schlechten Wetters findet das Training meist im Neo statt.

Nach einem halbwegs entspannten Schwimmen beim IM Hamburg und einem kurzen Down aufgrund des DNF flattert die Infomail vom Bodensee-Openwater Anfang Juni in meine Inbox. „Ach, da war doch noch was.“

Voller Zweifel schreibe ich dem Veranstalter und frage, ob ich noch kurzfristig ummelden könnte. Gottseidank melden sie sich erst ein paar Tage später, in denen der Gedanke reift, dass noch ein paar Tage Zeit ist und ich noch ein paar lange (Test-)Einheiten machen sollte, um zu entscheiden, wie es weitergeht.

So kommt es: Sowohl die 5km Einheit, die darauffolgenden insgesamt 7,2km an zwei aufeinanderfolgenden Tagen als auch 7,5km am Stück meistere ich ohne größere Probleme. Also: ich werde es versuchen.

Meersburg 29. Juni 5Uhr morgens: trotz holpriger Anreise geht es an den Start.

Einen kurzen Schreckmoment gibt es noch, da ich die obligatorische Schwimmboje zuhause vergessen habe. Die Helfer vor Ort sind sehr nett und haben auch für diesen Fall vorgesorgt.

Die „Wettkampfbesprechung“ ist wie vor drei Jahren mit drei Sätzen erledigt. Vor dem Start verrät mir noch mein Nachbar beim Neo anziehen, dass man die Gels am besten an der Wade unter den Neo packt. Guter Tipp.

Gegen 5:20 beginnt der Spaß. Großer Respekt ist das vorherrschende Gefühl und ich gehe es defensiv an, hänge mich an einen Vordermann, der ein gutes Tempo zu schwimmen scheint. Nachdem er vermeintlich ein wenig langsamer wird, mache ich einen kurzen Zwischensprint zu den nächsten Füßen.

Bei denen bleibe ich eine ganze Weile. Irgendwann kommt das ersehnte Konstanzer Hörnle näher und mein Vorschwimmer scheint die Orientierung etwas verloren zu haben.

Unter dem Eindruck, dass ich das Ende der ersten Halbzeit schon riechen kann, löse ich mich von meinem treuen Begleiter. Ein paar Minuten später schwindet die Zuversicht und ich realisiere, dass ich es doch selbst war, der falsch navigiert hat.

Irgendwann erkenne ich ein paar unscheinbare Fahnen des Veranstalters am Ufer.

Meine Uhr zeigt 5,3km und ca. 1,5h als ich am Ufer ankomme. Das wird eng, wenn ich unter 3h bleiben will.

Der angepriesene Verpflegungspunkt sind zwei unbemannte Klapptische mit ein paar Bechern Iso, halbierte Bananen und Riegeln. Von einer Spaziergängerin werde ich gefragt, wo ich denn herkomme.

Meine Antwort wird mit einem respektvollen „das ist aber schon ein Stück weit“ kommentiert.

Ohne großes Zögern geht es wieder in die Fluten. Zu Beginn sehe ich noch ein paar Schwimmer am Horizont. Nun geht es gegen die tief stehende Sonne zurück.

Wie vor drei Jahren versuche ich mich an den Begleitschiffen des DLRG zu orientieren, Landmarken sind zu weit entfernt. Bei einem der Bote frage ich, ob ich richtig unterwegs bin.

„Das passt schon. Vielleicht etwas mehr Richtung Osten.“ bekomme ich als Antwort. Eine recht unpräzise Antwort, wenn man so gut wie nichts sieht.

Nach einigen Minuten erinnere ich mich, dass die Sonne im Osten aufgeht und ich daher in Richtung der aufgehenden Sonne schwimmen sollte. Trotz der überzeugenden Logik, traue ich ihm doch nicht so richtig und mache alle paar Minuten ein paar Brustzüge, um am Horizont ein paar Bote auszumachen, auf die ich dann zuschwimme.

Mittlerweile schwinden die Kräfte und die Arme werden schwerer. Das scheint auch ein DLRG Boot erkannt zu haben, das versucht mir vorauszufahren, um mir den Weg zu zeigen.

Langsam erkenne ich das Schloss von Meersburg und, oh Wunder, ich sehe doch wieder einen anderen Schwimmer. Dem scheint es noch schlechter zu gehen als mir und ich gebe nochmal Gas.

Im Gegensatz zum Start ist hinter dem Ziel die Liegewiese des Strandbads Meersburg voller Leute. Nach 3:24h und fast 11km, davon die Hälfte vollkommen allein, fühlt es sich unwirklich an.

Ein belegtes Brötchen, einen Kaffee und eine Flasche Apfelschorle später realisiere ich: „es ist geschafft!“ In den Stolz mischen sich schmerzende Handgelenke und das Erstaunen, dass es mir ansonsten recht gut geht. (Hier übrigens ein guter Bericht vom Südkurier)

Eine Woche nach dem Event gehe ich wieder auf die Homepage von Bodensee-Openwater, um meine offizielle Schwimmzeit anzusehen.

Mein Blick wandert auf die nächste Veranstaltung Ende Juli, 11km von Friedrichshafen nach Romanshorn und, wie nach einem harten Triathlon, ertappe ich mich beim Gedanken: „so schlimm war es doch gar nicht und wer 10km schafft, wird auch 11km schaffen“.

Angemeldet habe ich mich dann doch nicht, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben…